Alice Weigelt, geb. Hofmann, 1925-2008 Unsere beste langjährige Freundin, Alice Weigelt,wohnhaft in Leipzig, ist in der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 2008 gestorben. Ausser dem Mops Rosa, der sie 15 Jahre lang begleitete und erfreute, war niemand zugegen. Alice, von vielen Ali genannt,war eine der unglaublichen Personen, welche die 3 Phasen der jüngsten deutschen Geschichte miterlebten: Aufstieg und Fall des Dritten Reiches unter Hitler, den Wiederaufbau zweier deutscher Staaten und zuletzt die Wiedervereinigung Deutschlands. Trotz dieser unterschiedlichen äusseren Umstände gelang es ihr im seelischen Gleichgewicht zu bleiben und immer frohen Mutes zu sein. Veränderungen traten ein im Privatleben, Dieter und Ali trennten sich und Rudolf Thiele, ein Kunsthistoriker, wurde ihr Gefährte. Rudolf war sehr begabt, ein guter Zeichner und Musikant, obwohl er nie Noten lesen lernte. Sie verbrachten viele erlebnisnisreiche Jahre zusammen und immer stand der Humor im Vordergrund. Christine besitzt viele Zeichnungen und Briefe aus dieser sehr schöpferischen Verbindung zweier Menschen. Alice hatte keine eigenen Kinder und hat dies immer sehr bedauert – aber sie ist allen Kindern unvergesslich, angefangen bei unserem Kind und ebenso bei den Enkeln und Urenkeln in ihrem Bekanntenkreis. Alice wohnte immer im Zentrum von Leipzig. Zuerst in der Stephanstrasse in einem alten ehrwürdigem Haus, an dem allerdings der Zahn der Zeit genagt hatte.Aus dem grossen Wohnzimmer ging der Blick über das Johannistal und die Schrebergärten der Leipziger. An dem alten schönen Küchentisch wurde nicht nur gegessen, er war mit der dazugehörigen Eckbank der Mittelpunkt des häuslichen Lebens. Dort wurden die lustigen Pläne ausgeheckt, die „abben“ Knöpfe angenäht, Zeichnungen gemacht, Briefe geschrieben, manchmal auch gleich die Tischplatte als Notizblock benutzt. Nicht zu vergessen die Mahlzeiten – Ali war ein hervorragender Koch und die Speisen nicht nur eine Gaumenfreude sondern auch eine Augenweide. Und Rotwein wurde getrunken und die Gläser erst aufgewaschen, wenn der Gläserchrank leer war. In den vergangenen 16 Jahren wohnte sie am Rossplatz, gegenüber dem Gewandhaus und in der Nähe der Oper. Die Innenstadt innerhalb des Ringes mit ihren bekannten Passagen war ihre Welt. Dort verkehrte sie fast täglich, immer elegant, der Mops Rosa oder dessen Vorgänger ihr Begleiter – die Geschäftsleute der Innenstadt werden sie vermissen, denn sie war ein gern gesehener Gast, immer zu einem Scherz aufgelegt. Alles wurde zu Fuss erledigt, auch wenn es mal in die ausserhalb des Zentrums gelegenen Viertel ging, der Hund konnte nicht Stassenbahn fahren! Alice kam 1986 zum ersten Mal nach Island. Unvergesslich der Anblick: Ali im grauen Kostüm mit Hut, grauem Rucksack und einer Schärpe (selbstgefertigt) in den islandischen Fahnenfarben blau-weiss-rot! Es war ein grosser Augenblick für sie, den sie entsprechend inscenierte. Über die Jahre hatte sie viele Isländer in Leipzig kennen gelernt und bei sich als „Messegast“ aufgenommen. Sie war ein Islandfan und hat alles mitgemacht – Zeltreisen ins Hochland, Fischverarbeitung in Neskaupstad, Ausreiten mit dem Pferd Thytur von Skorrastad bis zum Schafabtrieb in Thykkvabæ im Herst 2007. Ihre erste Rolle war die des Trauzeugen unseres Sohnes Einar und seiner Frau Hildigunnur. Die Hochzeitsreies ging mit internationaler Gefolgschaft quer durch Island, u.a.zu den Kverkfjöll. Hildigunnurs Eltern Thoranna und Erlingur waren natürlich auch dabei und seitdem wurde der würdevolle Geschäftsleiter Erlingur „Elli min“ (meine Elly) genannt. Die meisten bekamen bei Ali einen neuen originellen Namen. – „Der Träumer“ und „Mister Fishey“ nur ein Beispiel, meine Frau „Didi“ keine Ausnahme, und das Postamt in Neskaupstad hatte sicher manchmal Schwierigkeiten mit der Postzustellung. Aus irgendendeinem Grund hat sie sich nicht an meinen schwierigen Namen gewagt, mich höchstens in der dritten Person mit „Der Herr“ angsprochen. Die Islandreisen wurden fortgesetzt, dazwischen lagen Reisen in südlichere Gefilde, meistens mit Christine, aber auch anderen Isländerinnen. Der Bekanntenkreis nahm zu, nicht zuletzt die Eierkunden. Die Tochter des holzverarbeitenden Hans Hofmann und der Stickkünstlerin Herta verbrachte über Jahrzehnte ihre Freizeit mit Ostereiermalerei. Sie ist allen unvergesslich, die sie mit Farbtöpfen und Pinseln über ihren Eiern in den verschiedensten Fertigungsstadien sahen – „die Eierfrau“ wurde sie von denen genannt die ihren Namen nicht kannten. Die Eiermalerei ist eine alte Tradition im Böhmischen als auch in deutschen Gebieten, übrigens neben anderen eine weitere Gemeinsamkeit von Alice und Christine – sie wohnten als Kinder im südöstlichen Zipfel von Deutschland, an der Grenze zu Böhmen, weit entfernt von den Schlachtfeldern des Weltkrieges, als viele Städte des 1000 jährigen Reiches in Schutt und Asche fielen.. Vor einem reichlichen Jahr verbrachte Alice 4 Wochen bei uns in Island. Keinem der sie sah, kam in den Sinn, dass es sich um eine Frau im 82. Lebensjahr handelte. In diesem Herbst waren wir in Böhmen und wollten auf dem Rückweg Alice Weigelt in Leipzig besuchen. In Prag erreichte uns die Nachricht von ihrem Tod.Wir änderten unseren Reiseplan nicht aber anstelle eines Wiedersehens mussten wir uns begnügen mit den Erinnerungen an eine schillernde und unvergessliche Frau, die ihre Spuren auf den Strassen und Plätzen dieser Stadt hinterlassen hat. Hjörleifur Guttormsson, Reykjavík, 25. Oktober 2008, übersetzt von Christine Guttormsson Hjörleifur
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